Die Gottlaubatalbahn: Vorgeschichte, Bahnbau bis Berggießhübel und erste Betriebsjahre
Im Zuge der Industrialisierung entwickelte sich in Sachsen nach dem Bau der ersten deutschen Ferneisenbahn zwischen Dresden und Leipzig (1839) ein dichtes Eisenbahnnetz zwischen den größeren Städten bzw. in Richtung der Nachbarstaaten. Pirna erhielt mit dem Bau der Elbtalbahn zwischen Dresden und Böhmen bereits 1848/51 einen Zugang zur Eisenbahn. Bis 1880 war das Streckennetz in Sachsen auf über 2.300 Kilometer angewachsen. Zunehmend forderten auch kleinere Gemeinden, wie die im Hinterland von Pirna gelegenen Kleinstädte Berggießhübel und Gottleuba, einen Eisenbahnanschluss »an die große weite Welt«.
Dabei war der Bedarf zum Bau einer Eisenbahn im Gottleubatal hoch. Der intensive Sandsteinabbau und der Eisenerzbergbau in Berggießhübel belasteten das Straßen- und Wegenetz. Allein zwischen Rottwerndorf und Pirna waren vor dem Bahnbau täglich bis zu 200 Pferdefuhrwerke mit Sandsteinladungen unterwegs. Hinzu kam die hohe Nachfrage der sächsischen Industrie nach preiswerter böhmischer Braunkohle, die nur über die kurvenreiche und damit umwegige und im Transport teure Elbtalbahn nach Sachsen gebracht werden konnte.
Private Investoren entwickelten ab 1859 verschiedene Planungen für einen Bahnbau durch das Gottleubatal und über den Kamm des Osterzgebirges hinweg nach Nordböhmen. Die nach der Wirtschaftskrise von 1873 (»Gründerkrach«) schwächelnde ökonomische Situation verhinderte eine Umsetzung. In dieser Situation übernahm der Staat die Planung. Der sächsische Landtag beschloss 1878 den Bau einer Bahnlinie von Pirna nach Berggießhübel. Von der Weiterführung bis Gottleuba wurde u. a. wegen schwachen Frachtverkehrs und der schwierigen Trassierung durch das Stadtgebiet von Berggießhübel abgesehen.
Der Bau der knapp 15 Kilometer langen eingleisigen Strecke begann im Mai 1879 und wurde bis Sommer 1880 abgeschlossen. Die Baukosten beliefen sich auf ca. 760.000 Mark. Am 19. Juli 1880 erfolgte die feierliche Inbetriebnahme der Strecke. Der Bahnbetrieb war anfangs von einem intensiven Güterverkehr geprägt. Um 1900 bestanden entlang der Strecke 17 Anschluss- und Zweiggleise, vorrangig von Betrieben der sandstein-, holz-, glas-, papier- und metallverarbeitenden Industrie. 1889 transportierte die Bahnlinie reichlich 100.000 Tonnen Fracht, in der Hauptsache Sandstein. Für den Personenverkehr bestanden neben Pirna und Berggießhübel Haltepunkte in Pirna Süd (Zehistaer Straße), in Rottwerndorf, Neundorf und Langenhennersdorf. In zunehmenden Maß wurde die Bahn von Berufspendlern und Ausflüglern genutzt. Im Sommerfahrplan 1894 verkehrten sechs Zugpaare, die Fahrtzeit betrug etwa eine Stunde. Als Lokomotiven kamen in den Anfangsjahren kleine und leichte Dampflokomotiven v. a. der Gattungen VII TS, VII T und
IIIb T zum Einsatz. Die ersten beiden auf der Gottleubatalbahn eingesetzten Lokomotiven der Gattung VII TS trugen die Namen »Berggießhübel« und »Rottwerndorf«.