Hauptlogo
Stadt

30 Jahre vereinigtes Deutschland – eine Rückschau in Pirna

Gedenkveranstaltung an der Hospitalkirche am 3. Oktober und Lebendige Bibliothek im Rathaus am 5. Oktober.

Gedenkveranstaltung am 3. Oktober 2020, 11 Uhr an der Hospitalkirche

Klaus-Peter Hanke lädt alle Bürgerinnen und Bürger anlässlich des Jubiläums 30 Jahre deutsche Einheit am 3. Oktober 2020 um 11:00 Uhr zu einer Gedenkstunde an die Hospitalkirche ein. An jenem Ort traf sich seit dem Frühjahr 1989 wöchentlich die Friedensgruppe St. Marien. Unter dem Motto „Zusammensetzen – Auseinandersetzen“ wurde öffentlich zu Vorträgen, Gesprächen und Ausstellungen eingeladen. Im Herbst 1989 folgten immer mehr Menschen dieser Einladung, was zu den wöchentlichen Friedensgebeten in der Hospitalkirche führte. Aus den Aktivitäten der Friedensgruppe St. Marien entstand das NEUE FORUM der Region Pirna. Im Anschluss an die Gedenkstunde wird eine Erinnerungstafel enthüllt.

Lebendige Bibliothek am 5. Oktober 2020 um 19 Uhr im Rathaus

Neben der zentralen Gedenkveranstaltung führt die Stadt auch eine sogenannte „Lebendige Bibliothek“ durch. Alle Interessierten können dazu mit Zeitzeugen in kleinen Gesprächsgruppen zusammenkommen. Interessierte Menschen „leihen“ sich sozusagen eine erzählende Person (Lebendiges Buch) für ein persönliches Gespräch für bis zu 30 Minuten aus. Ziel der Gespräche ist das Kennenlernen ganz persönlicher Erlebnisse und verschiedener Perspektiven auf die Ereignisse von 1989/90.

Die Veranstaltung findet am 5. Oktober von 19 bis 21:30 Uhr im Rathaus statt. Der Eintritt ist frei. Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, wird um eine Anmeldung per Mail oder Telefon bis zum 30. September beim Fachdienst Demokratie, Prävention und Migration gebeten. In der Kontaktbox befinden sich die Kontaktinformationen sowie ein Link zum Kontaktformular.

Folgende „Lebendige Bücher“ werden dabei zu Wort kommen:
 

Thomas Albrecht – der Hüter der Marienkirche über die Rettung der Altstadt

Mit 22 Jahren übernahm Thomas Albrecht 1990 das Amt des Kirchners in der Marienkirche Pirna. Als solcher ist er für deren Erhalt verantwortlich und betreut u.a. die Sanierungsarbeiten im Innen- und Außenbereich des Gotteshauses. Bis dahin war er in der privaten Schlosserei Thiele angestellt und bereits dort mit kleineren Reparaturen in der sanierungsbedürftigen Altstadt betraut. Als Sohn des Kantors wuchs er in der Pirnaer Altstadt auf und beobachtete deren stetigen Verfall. Er beteiligte sich an Rettungsaktionen der Bürgerbewegung „Rettet die Altstadt“ und wurde später Mitglied des Kuratoriums Altstadt.
 

Klaus-Peter Hanke – vom Bauunternehmer zum Oberbürgermeister

„Wegzugehen war für mich keine Option. Ich hatte hier meine Existenz und wollte mithelfen, das Leben hier zu verbessern. Wenn man die Bilder der Innenstadt von 1990 und heute vergleicht, wird deutlich, dass das eine gute Idee war.“ Der heutige Pirnaer Oberbürgermeister war von 1972 bis 2010 privater Bauunternehmer. Nach der Wende konnte er seinen kleinen Handwerksbetrieb mit zehn Mitarbeitern zu einem mittelständischen Unternehmen entwickeln. Bei den Kommunalwahlen im Mai 1989 war er als Wahlbeobachter für die Handwerkerpartei im Einsatz. Seit 1994 ist er Mitglied des Pirnaer Stadtrats.
 

Klaus Hensel – ein Löwe für Pirna

Der 72jährige Pirnaer Klaus Hensel koordinierte in seiner Funktion als Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von 1990 bis 2010 auch die Städtepartnerschaften. Der Zoo der Partnerstadt Děčín war nach der politischen Wende in finanzielle Schwierigkeiten geraten, und so einigten sich die beiden Bürgermeister auf eine besondere Unterstützungsaktion. Pirnaer Bürger, Unternehmen sowie städtische Einrichtungen wurden Tierpaten. Die Stadt mit den zwei Löwen im Wappen „adoptierte“ eine der beiden Raubkatzen des Tierparks, Pressesprecher Hensel den sprachgewandten Goldlori und der Bürgermeister den Luchs. Ein reger Austausch, spannende Begegnungen und Geld für neue Gehege, Zoopädagogik und Verwaltung waren das Ergebnis dieser launigen Aktion, an die sich viele Pirnaer bis heute gerne erinnern.
 

Thea Jüttner – wie ich Pirna kennen- und lieben lernte

1945 wurde ich in Darmstadt geboren. Dort habe ich in den sechziger Jahren meinen späteren Ehemann Jochen Jüttner aus Görlitz kennengelernt. Bei zahlreichen Besuchen lernte ich die Heimat meines Mannes kennen. Erst nach dem Staatsvertrag 1974 konnten wir gemeinsam mit unseren Kindern Oma und Opa besuchen. Es war der vierzigste Jahrestag der DDR, als wir mit unseren Freunden in Görlitz und Dresden über die Situation des friedlichen Aufstandes sowie die Friedensgebete sprachen und daran teilnahmen. Wer hätte damals geglaubt, dass es einen 9. November gibt. Wir haben zu Hause am Fernseher gehangen und waren einfach nur glücklich. Als Remscheid, seit 1970 unsere Heimatstadt, Verbindung zu Pirna aufnahm, war ich unter den ersten, die Pirna besuchten. Es war für mich selbstverständlich, mich aktiv in die Partnerschaft einzubringen. Viel gibt es dazu zu berichten …
 

Elvira Koll – Naturschützerin und Gastgeberin

„Ich wurde zwar politisch erzogen, hätte aber nie gedacht, dass ich einmal ein politisches Amt antreten würde.“ Wie es dann doch dazu kam, dass Elvira Koll 1990 Stadträtin in Pirna wurde und zwei Legislaturperioden lang blieb, darüber kann die Inhaberin der Pension Am Schlossberg und engagierte Naturschützerin so manche Geschichte erzählen. Als Naturliebhaberin engagierte sie sich für die Bewahrung der Schöpfung unter dem Dach der Kirche. Als Pirnaer einen Brief an den Ministerrat schrieben, um auf das „Pirna-Syndrom“ hinzuweisen und Verbesserungen zu erwirken, gehörte sie zu den ersten Unterzeichnerinnen. Im Mai 1989 war sie Wahlbeobachterin bei den Kommunalwahlen. Ein Jahr später stand sie selbst zu Wahl.
 

Matthias Piel – „Zusammensetzen – Auseinandersetzen“ in der Pirnaer Hospitalkirche

In der Pirnaer Hospitalkirche trafen sich seit dem Frühjahr 1989 wöchentlich die Mitglieder der Friedensgruppe St. Marien und luden zu öffentlichen Vorträgen, Diskussionen und Ausstellungen ein. Einer der führenden Köpfe war Matthias Piel, der für dieses ehrenamtliche Engagement auch seinen Beruf aufgab. Die Zahl der Teilnehmer an den wöchentlichen Friedensgebeten wuchs ab Herbst 1989 stetig. Ein besonders brisantes Datum war der 4. Oktober 1989, weil Züge mit DDR-Flüchtlingen aus der Prager Botschaft Pirna passierten. An diesem Abend fand das Friedensgebet in ökumenischer Form in der Klosterkirche statt – der Mitorganisator: Matthias Piel. Er war es auch, der die Anmeldung für die drei Demonstrationszüge mit mehreren Tausend Menschen in Pirna 1989 /90 im Auftrag des NEUEN FORUMS vornahm, dessen Mitbegründer er gleichzeitig war.
 

Fritz Rösler – das erste Transparent im Leben

Der Journalist und Musiker Fritz Rösler, Jg. 1935, war in der spannungsreichen Zeit ab Oktober 1989 Teilnehmer an Mahnwachen, Demonstrationen und Foren in Dresden und Pirna. Stets dabei: das handschriftlich gemalte Transparent mit der nächtlichen Eingebung „Im Interesse von uns allen, die SED muß fallen“. Erstmalig zeigte er sich öffentlich mit einem solchen im „Losungsstammland DDR“. Er beschreibt seine Entwicklung von einem Mann, der widerspricht, zu einem, der in dieser Zeit Verantwortung übernimmt. Fritz Rösler engagierte sich nach der Wende als SPD-Kommunalpolitiker in Pirna und als Kandidat bei der Bundestagswahl.
 

Günter Tischendorf – Demut und neuer Aufbruch

Mitglied der SED seit 1962, jetzt Mitglied der Linken. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung Offizier der NVA. Abrupte Beendigung der Dienstlaufbahn 1990. Ausbildungskurs zum Personalfachkaufmann. Das Scheitern des DDR-Sozialismus war für mich auch eine persönliche Niederlage. Doch war mir klar, dass eine autoritäre Gesellschaftspolitik scheitern musste. Ich empfand Mitschuld, wollte Wiedergutmachung leisten und hatte dabei Glück. Zur Ausbildung gehörte ein einjähriges Praktikum im Seniorenzentrum, in dem ich ab 1992 arbeitete und bis heute ehrenamtlich tätig bin. Mein engagierter Dienst für das Wohl der Bewohner*innen und als Personalvertreter machte es mir möglich, weiter für meine Lebensideale zu arbeiten, u.a. für soziale Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit und demokratisches Miteinander. Wofür ich heute stehe: Die Wiedervereinigung war alternativlos. Die Lebensqualität ist gestiegen. Doch die kapitalistische Gesellschaft wird nicht das letzte Wort der Geschichte sein können. Sie muss schrittweise zu einem demokratischen Sozialismus hinentwickelt werden.
 

Martin Walter – als Bausoldat in die Wende

In diesem Buch berichtet ein ehemaliger Bausoldat, wie er bei der Armee die letzten Monate vor der politischen Wende erlebt hat. Sie waren geprägt von erlebter Willkür und Sinnlosigkeit. Andererseits keimte durch Nachrichten über das Geschehen im Land die große Hoffnung auf eine freiere, bessere und menschlichere Gesellschaft. Trotz der großen Freude über manche positive Entwicklung machte sich im weiteren Verlauf der Ereignisse auch Ernüchterung breit. Daraus entwickelte sich ein Prozess des Suchens und Diskutierens über bessere Wege und Lösungen – auch in unserer Stadt.